Fluss mit Ausblick: Manuel Andrack und der Neckarsteig
Das Renaturierungsprojekt am Neckar startete bereits im Jahr 1998 und war eines der ersten im Netzwerk „Lebendige Flüsse“. Um den Neckar zu erkunden, begab sich Manuel Andrack nicht nur in schwindelnde Höhen, sondern auch an die konditionelle Leistungsgrenze.
Ach, wären wir doch am lebendigen Fluss geblieben, dann würde ich mich nun wesentlich lebendiger fühlen: Ich stehe auf dem Neckarsteig, seit dem Schloss von Heidelberg sind wir ungefähr 700 m gegangen. Die Himmelsleiter hinauf, die für mich eine Höllenleiter ist. 1.200 grob behauene Natursteine zählt diese Treppe, ich ringe nach Luft. Johannes Reiss will mir Mut machen: „Der Berg flacht dort oben merklich ab.“ Das hat der Neckar-Experte („eigentlich bin ich Flussologe“) schon vor fünf Minuten behauptet. Und vor zehn Minuten auch.
Die Himmelsleiter hinauf zum Königsstuhl
Endlich erreichen wir den Gipfel des Königstuhls, das ist der Mount Everest von Heidelberg. Wir haben einen phantastischen Blick auf die Rheinebene, im Vordergrund der Neckar. In Richtung Mannheim verzweigt sich der Neckar. Nördlich der schiffbare Kanal, südlich der Wieblinger Altneckar. Die Augen von Reiss leuchten: „Der Altneckar ist noch relativ naturnah, da können wir etwas bewegen – im Altarm kommen sogar vom Rhein her noch Lachse hinauf.“ Aber hat sich nicht die Wasserqualität des Neckars wie bei eigentlich allen deutschen Flüssen erheblich verbessert? Reiss erläutert den Unterschied von Wasserqualität und Gewässerqualität: „Die Tierchen brauchen nicht nur sauberes Wasser, sondern auch ein Schlafzimmer, ein Wohnzimmer, eine Küche.“ Die Wasserqualität – okay. An der Gewässerqualität muss man im Sinne von „Schöner Wohnen“ noch arbeiten.
Der Altneckar – Ein Wohnzimmer für Lachse
Nach der kurzen Pause auf dem Königstuhl wandern wir weiter. Der Neckarsteig führt uns in die Wälder oberhalb des Neckars, das Flusstal bleibt zunächst verborgen. Johannes Reiss erzählt, schon 1998 habe man das Flussbüro „Lebendiger Neckar“ gegründet. Aber eigentlich sei der Neckar gar kein Fluss, weil er nicht fließe. „Eine Badewanne“, urteilt Reiss trocken. Staustufen und Wasserkraftwerke unterteilen den Neckar in längliche Stauseen. Das ist gar nicht gut für die Bewohner der Flüsse.
Auf halber Strecke – nach 6 km kommen wir dem Neckartal näher. Wir sehen zwar den Fluss nicht, aber wir hören im Tal die Bundesstraße. Beruflich ist Reiss vor allem mit dem Neckar beschäftigt, in der Freizeit radelt er an Europas Flüssen – von der Mosel bis zur Drau in Slowenien, von der Ems bis zur Donau. Was macht ein Flussologe den ganzen Tag? Gewässerproben nehmen, pädagogische Arbeit, viel Aufklärung mit Flyern und Leitfäden.
Der Neckarsteig in den Wäldern oberhalb des Neckars
3 km vor unserem Ziel sehen wir, wie der Neckar unterhalb unseres Hangweges entlangfließt, die ersten Häuser von Neckargemünd, unserem Etappenziel, sind schon zu erkennen. Neckargemünd müsste eigentlich Elsenzgemünd heißen, denn die Elsenz mündet dort in den Neckar. Der Neckar ist übrigens der Lieblingsfluss der Baden-Württemberger, denn fast alle der 367 Flusskilometer winden sich durchs Ländle.
Daher gibt es neuerdings landesweit die Initiative „Unser Neckar“, die unter anderem darauf verweist, wie viele Dichter und Denker vom Neckar kommen: Schiller, Uhland, Hölderlin, Harald Schmidt. Auch auf geistiger Ebene kann man sagen: Beim Neckar ist alles im Fluss.
Im Zentrum von Neckargemünd trinken wir noch ein Bier. Es war eine schöne Tour mit dem Fluss-Flüsterer Johannes Reiss. Ich muss aber noch einmal wiederkommen und die Himmelsleiter ohne Schwächepausen meistern – lebendigeres Wandern am lebendigen Fluss Neckar.
Profil
Region Neckar, Heidelberg
Länge ca. 10 km
Besonderer Hinweis Die Strecke führt über den Königstuhl, sodass eine entsprechende Kondition vonnöten ist.
Webtipp www.lebendigerneckar.de
Google-Maps Startpunkt der Wanderung
Natur-Highlights
Der Neckar ist der einzige große Fluss Baden-Württembergs, der von der Quelle bis zur Mündung fast nur durch dieses Bundesland fließt. Mit der Aktion „Lebendiger Neckar“ wollen die Deutsche Umwelthilfe, der Bund für Umwelt und Naturschutz und der Naturschutzbund den Neckar von seiner Quelle bis zur Mündung in einen naturnäheren Zustand versetzen. In der Region Stuttgart wird bereits seit Jahren die Idee eines Landschaftsparks verfolgt. Biotopverbundmaßnahmen oder Angebote für sanften Tourismus wie z. B. neue Wanderoder Radfahrwege erhalten hiermit eine neue Chance.